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Phytotherapie (Heilpflanzenkunde)

in Wir stellen die Therapien vor 05.09.2014 14:56
von Birte Bernitt | 8.551 Beiträge | 8543 Punkte

Ein altes Sprichwort sagt „Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen“.
Tatsächlich werden weltweit mehrere zehntausend Pflanzen zu Heilzwecken benutzt. In Europa alleine verwenden wir davon über 2000 Heilpflanzen als Arzneimittel, wovon mehr als die Hälfte einheimische Arten sind. Leider sorgen Umweltschäden und Raubbau an unserer Natur dafür, dass inzwischen auch viele Heilpflanzen vom Aussterben bedroht sind. Von den Heilpflanzen, die wir in Europa verwenden, sind dies immerhin schon über 150 Arten. Wollen wir auch in Zukunft die Gesundheit von Mensch und Tier mit Heilpflanzen unterstützen, so sollten wir sehr sorgsam mit unserer Umwelt umgehen und die seltenen Arten nicht einfach in der freien Natur sammeln. Doch auch die noch häufig vorkommenden Arten sollten mit Bedacht geerntet werden. So lässt man immer den Großteil der Pflanzen stehen und sammelt nur die Menge, die einer weiteren Verbreitung dieser Pflanze nicht schadet.

Die Heilpflanzenkunde wird auch Phytotherapie genannt und ist die älteste Therapiemethode, die wir kennen. Das ist ja auch verständlich, denn vor einigen hundert Jahren gab es gar nichts anderes an Arzneimitteln. Jeder kennt sicher Heilpflanzenanwendungen und hat schon einmal eigene Erfahrungen gemacht. Sei es ein Tee aus der Kamille bei Erkältung, eine Wundversorgung mit der Ringelblumensalbe oder ein Hustensaft mit Spitzwegerich. Irgendwo hat jeder seine ganz familiären Hausmittelchen, die von Generation über Generation weiter gegeben wurden.

Die Kommission E versuchte von 1978 bis 1994 die Heilkräfte der Heilpflanzen zu belegen

Nun ist es auch in der Heilpflanzenkunde inzwischen so, dass man alles erklärt und genau wissenschaftlich belegt haben möchte. Eine Expertengruppe wurde in Deutschland gegründet und sollte belegen, wie wirksam einzelne Heilpflanzen sind oder ob sie gar Nebenwirkungen aufweisen. Diese Expertengruppe (Kommission E) hat von 1978 bis zum Jahre 1994 versucht nachzuweisen, welche Heilpflanzen als wirksam gelten. Vielen Heilpflanzen wurde dadurch ihre Wirkung nun auch wissenschaftlich belegt und sie wurden durch eine Monographie wie in einer Art Steckbrief beschrieben. Leider wurden durch diese Untersuchungen auch genau vorgesehene Standardmengen einzelner Inhaltsstoffe der Heilpflanzen vorgegeben, ohne die bestimmte Pflanzenpräparate nicht mehr zugelassen werden. Vielen Pflanzen konnte aufgrund ihrer teils sehr einfachen Prüfung keine Wirksamkeit nachgewiesen werden, so dass sie aus dem Arzneirepertoire sogar ganz ausgeschlossen wurden. Dass es bereits jahrhundertelange Erfahrungen mit diesen Heilpflanzen gibt, blieb dabei völlig unberücksichtigt. Auch wurde die Zusammensetzung der Heilpflanze teilweise stark vernachlässigt und sich auf einzelne Inhaltsstoffe konzentriert. Viele Heilpflanzen entfalten jedoch ihre Wirkung gerade durch ihren komplizierten Aufbau ihrer zahlreichen Inhaltsstoffe, von denen wir noch nicht einmal alle kennen.
Andere Heilpflanzen bekamen eine sogenannte Negativmonographie und wurden von der Kommission E als nicht vertretbar angesehen. So zum Beispiel Huflattich, der Pyrrolizidinalkaloide enthält, die bei Überdosierung zu Leberschäden führen. Paracelsus jedoch sagte schon den sehr schlauen Satz: Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht es, dass ein Ding kein Gift sei. Es wird gern verkürzt wiedergegeben als "Nur die Dosis macht das Gift" ("Sola dosis facit venenum"). Der Huflattich enthält tatsächlich dieses „Gift“, dennoch ist er auch als Heilmittel sehr wertvoll, wie viele hunderte von Jahren der Anwendung gezeigt haben.

Heilpflanzen sind nach dem metabolischem Gewicht zu verabreichen
So sind wir auch schon bei dem wichtigen Punkt der Dosierung von Heilpflanzen. Noch immer herrscht die Meinung vor, dass Heilpflanzen ja sicher nicht schaden können und da wird Mensch oder Tier schnell mal ein Kraut zur Unterstützung gegeben. Dies kann fatale Folgen haben, denn Heilpflanzen sind ganz und gar nicht immer ohne Nebenwirkungen. Wir haben unter den Heilpflanzen sehr giftige, aber damit auch sehr wertvolle Vertreter für ganz bestimmte Anwendungen. Man sollte nur einmal an den giftigen Fingerhut denken, der aber mit seinen herzwirksamen Glykosiden ein wichtiges Präparat bei Herzinsuffizienz ist. Hier verwendet man jedoch nur standardisierte Arzneimittel, um den Wirkstoffgehalt genau zu definieren. Die Dosis macht das Gift - Wirkung und tödliches Gift liegen bei vielen Heilpflanzen eng beieinander. Selbst bei Heilpflanzen, die man frei erwerben kann und die zum Beispiel zur Unterstützung bei Parasitenbefall eingesetzt werden, erkennen wir die geringe Giftwirkung leicht daran, dass sich beim Tier Erbrechen und Durchfall einstellen können. Als Anwender sollte man mit solchen Präparaten also mehr also vorsichtig umgehen.
Leider wird bei der Anwendung von Heilpflanzen auch häufig der Fehler gemacht, die Dosierung vom Menschen auf das Tier umzurechnen. Das kann dazu führen, dass ein Kaninchen zu wenig an Wirkstoffen erhält und ein Pferd relativ schnell überdosiert wird. Wie kann das sein? Bei der Umrechnung vom Menschen auf eine Tierart müssen wir deren metabolisches Gewicht ermitteln, denn im Verhältnis zum Menschen, hat das Kaninchen mehr Oberfläche und das Pferd weniger Oberfläche und damit auch einen unterschiedlichen Stoffwechsel. Außerdem müssen auch ganz besondere Eigenschaften der Tiere bedacht werden. Hunde verwerten mit ihrem kurzen Verdauungstrakt Heilpflanzen ganz anders als Pferde, die sorgfältig kauen und einen sehr langen Verdauungsapparat haben. Einige Heilpflanzen werden von einer Tierart gar nicht vertragen und sollten daher nicht angewendet werden. So sollte man immer daran denken, dass besonders die Katzen viele Stoffe nicht gut verstoffwechseln können, weil sie unter dem Glucuronidierungsdeffekt leiden. Alkohol, Phenole und bestimmte Säuren sind daher für sie schwer abzubauen. Daher sollte man bei Heilpflanzenanwendungen bei der Katze unbedingt auf deren Inhaltsstoffe achten. Viele ätherische Öle sind für Katzen schädlich. Auch die Anwendung mit Tinkturen, das sind Heilpflanzenauszüge mittels Alkohol, sollte bei Katzen nur in Ausnahmefällen kurzfristig zur Anwendung kommen.

Es gibt gravierende Unterschiede zwischen der Phytotherapie und der Klassischen Homöopathie

Verabreicht man nun während einer homöopathischen Therapie auch noch Heilpflanzenpräparate mit negativer Wirkung am Tier, so kann der Therapeut schwer erkennen, welches Symptom von welchem Arzneimittel kommt.
Überhaupt gibt es noch immer sehr viele Tierhalter, die Heilpflanzen und Homöopathie in einen Topf werfen und es als eine einzige Therapieart verstehen. Das ist aber ganz und gar nicht der Fall. In der Homöopathie werden nicht nur pflanzliche Mittel eingesetzt, sondern z.B. auch tierische und mineralische Stoffe. Außerdem sind homöopathische Mittel potenziert, also verdünnt und verschüttelt. Sie haben ein ganz anderes Energieniveau wie reine Pflanzenpräparate, die nur auf der organischen Ebene wirken. Zwar können auch pflanzliche Mittel auf das Gemüt wirken, jedoch immer nur durch ihre biochemische Wirkungsweise.
Ganz im Gegensatz zur Homöopathie, bei der es um das Auffinden des passenden Einzelmittels geht, liegt die hohe Kunst der Phytotherapie im Mischen verschiedener Heilpflanzen. Dabei wählt man die Heilpflanzen sorgfältig nach ihren bekannten Inhaltsstoffen und Wirkungen aus und kombiniert sie in einem bestimmten Verhältnis. Ganz und gar nicht werden einfach mehrere Heilpflanzen, die sich z.B. bei Husten bewährt haben, einfach zusammengeworfen, nach dem Motto irgendetwas wird schon helfen.

In der Phytotherapie ist die hohe Kunst das Mischen verschiedener Pflanzen.
Leider wird aber gerade dies recht häufig von Laien so praktiziert und mehrere ähnlich wirkende Heilpflanzen zusammengemischt. Davon kann man nur abraten, denn ähnliche Heilpflanzen haben auch oftmals ähnliche Wirkstoffe und so kann sich leicht eine Überdosierung einstellen, wenn man die Inhaltsstoffe mengenmäßig nicht beachtet.
Umgekehrt kann es zu einer sogenannten Kumulierung kommen, wenn sich Wirkstoffe aus Heilpflanzen nicht schnell genug abbauen. Findet die Heilpflanzenanwendung also über einen langen Zeitraum statt, so können die Inhaltsstoffe teilweise gar nicht so schnell verstoffwechselt werden, wie sie erneut verabreicht wurden. Dann häufen sich diese Stoffe im Körper an und sorgen für eine Vergiftung. Dies ist ein Grund, warum man Heilkräuter nicht über einen langen Zeitraum geben sollte, sondern meistens kurmäßig anwendet. Manche Heilpflanzen zeigen ihre Nebenwirkungen auch erst nach einer längeren Einnahmezeit. So kann zum Beispiel Ingwer nach Dauereinnahme leicht zu einer Magenreizung führen.

Bei Heilpflanzen kommt es wie bei schulmedizinischen Medikamenten auch relativ häufig zum sogenannten Gewöhnungseffekt. So benötigt man bei Abführmitteln aus dem Pflanzenbereich ebenfalls irgendwann mehr von den Wirkstoffen, wenn man nicht gleichzeitig die Essgewohnheiten beziehungsweise beim Tier die Futtergewohnheiten ändert. Wir Menschen kennen den Gewohnheitseffekt beim morgendlichen Kaffee. Irgendwann macht er nicht mehr richtig munter und man bräuchte eigentlich eine weitere Tasse um wach zu werden, während eine einzige Tasse Kaffee bei einem Menschen, der sonst keinen koffeinhaltigen Kaffee trinkt, den Kreislauf richtig in Schwung bringt. Genau so etwas gibt es auch bei vielen Heilpflanzen. Besonders bei Pflanzen, die zur Beruhigung gegeben werden, ist dieser Effekt deutlich zu erkennen. Andere Heilpflanzen dagegen können auch als Dauergabe verabreicht werden, ohne dass die Wirkung nachlässt. Das liegt einfach an der entsprechenden Biochemie im Körper. Manche Stoffe bewirken Veränderungen nach einer längeren Einnahmezeit, andere Stoffe wirken auch nach mehreren Wochen Einnahme noch genau gleich ohne beeinflusst zu werden.
Daran kann man erkennen, dass die Phytotherapie längst keine Hausmitteltherapie ist, die jeder bedenkenlos anwenden kann, sondern dass sich vielmehr dahinter eine sehr große Therapiemethode verbirgt, die genauso sorgfältig erlernt werden muss wie die Klassische Homöopathie. Natürlich ist die Anwendung von bekannten Hausmittelchen möglich, aber man sollte Vorsicht walten und sich von erfahrenen Phytotherapeuten beraten lassen, wenn man sich auf unbekanntes Terrain begibt und neues “Ausprobieren“ möchte. Dies kann sonst leicht nach hinten losgehen und dem Tier auch schaden!

In vielen Futterergänzungsmitteln für Tiere finden sich ebenfalls häufig pflanzliche Inhaltsstoffe. Knoblauch ist z.B. ein gern genommener Inhaltsstoff, der den Geschmack verbessern soll und sich gut in der Werbung macht. Aber auch hier ist eine Daueranwendung beim Tier aus den oben genannten Gründen nachteilig. Möchte der Tierhalter dennoch ein Präparat zufüttern, sollte auch dies mit seinem Therapeuten abgesprochen werden.

Die Phytotherapie ist mit unterschiedlichen Zubereitungsformen als Alleintherapie oder zusätzlich zu anderen Therapien anwendbar

Heilpflanzen können in ganz unterschiedlichen Zubereitungen verabreicht werden. Der Tee ist sicher die bekannteste Zubereitung, wobei das Kraut mit kochendem Wasser übergossen wird und kurz ziehen muss. Durch das heiße Wasser werden die wasserlöslichen Inhaltsstoffe freigesetzt und können mit dem Tee eingenommen werden. Andere Inhaltsstoffe werden nicht durch Wasser gelöst und benötigen dazu Alkohol. Dann verwenden wir die Tinkturen. Es gibt viele weitere Anwendungsmöglichkeiten von Heilpflanzen. Bei Tieren kann man auch sehr viel mit Wickeln und Pflanzenauflagen therapieren. Wir können Salben und Cremes oder Öle verwenden oder bei einigen Tierarten das Kraut direkt verfüttern. Dampfbäder und Spülungen sind auch beim Tier häufig möglich.

Die Phytotherapie kann als eigenständige Therapie angewendet werden, sie kann vorbeugend eingesetzt werden oder sie kann begleitend zur Schulmedizin oder bei anderen naturheilkundlichen Therapien zum Einsatz kommen. Der gleichzeitige Einsatz mit der Klassischen Homöopathie ist jedoch meistens nicht möglich. Der Einsatz der Phytotherapie kann die Symptome verändern, die aber ein Klassischer Homöopath unbedingt gut im Auge behalten muss. Dazu kommt noch der Umstand, dass besonders die ätherischen Öle mit ihren sehr intensiven Duftstoffen außerdem in der Lage sind, homöopathische Mittel unwirksam zu machen, teilweise sogar zu antidotieren. Daher sollte der Tierhalter darauf achten, keine zusätzlichen Anwendungen an seinem Tier vorzunehmen, solange das Tier in homöopathischer Behandlung ist. Sollen parallel Heilpflanzenpräparate verabreicht werden, so ist dies unbedingt mit dem Therapeuten abzustimmen. Wenn sich der Therapeut über die Wirkung der Heilpflanzen sicher ist, dann kann in Einzelfällen eine parallele Behandlung erfolgen.

Die Heilpflanzen wirken auf der biochemischen Ebene und sind damit logisch erklärbar. Heilpflanzenanwendungen können, wie Schulmedizin, falsch eingesetzt auch Erkrankungen unterdrücken. Richtig eingesetzt können sie jedoch ebenso die Selbstheilungskräfte unterstützen und dem Patienten eine gute Unterstützung bieten. Mit der Phytotherapie können einzelne Organsysteme angesprochen werden, die zum Beispiel aufgrund von Überlastung ihrer Aufgabe nicht mehr einwandfrei nachgehen können. Wir können mit der Phytotherapie die Wundheilung fördern, das Immunsystem stärken, viele wichtige Nährstoffe anbieten. Wir können festsitzende Schleime lösen, wir können die Produktion von Verdauungssäften anregen, die Hormonproduktion beeinflussen und vieles mehr. Im Gegensatz zur Schulmedizin hat die Phytotherapie meistens weniger Nebenwirkungen und wird dadurch auch immer beliebter. Es gibt in der Phytotherapie Alternativen zu Antibiotika und zum Cortison, den vom Tierarzt am häufigsten angewendeten Medikamenten.

Die Phytotherapie ist eine sehr beeindruckende Therapie, auch hier lernt man niemals aus. Beschäftigt man sich mit den einzelnen Pflanzen und kann sie in der Natur erkennen und bestimmen, so bekommt man auch zu seinen Arzneimitteln noch ein ganz besonders intensives Verhältnis.


Birte Wermann


www.pferdekraeuterhexe.de

zuletzt bearbeitet 12.01.2015 19:52 | nach oben springen

#2

RE: Phytotherapie (Heilpflanzenkunde)

in Wir stellen die Therapien vor 12.01.2015 19:54
von Birte Bernitt | 8.551 Beiträge | 8543 Punkte

Hier ein Artikel über die Phytotherapie von mir, den ich so ähnlich für die Tierhomöopathie geschrieben hatte.

LG Birte


www.pferdekraeuterhexe.de
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